Es brummt in Baiersbronn
Mehr Obst an den Bäumen, den eigenen Honig im Glas und lebendiges Brummen im Garten. Selber imkern liegt voll im Trend.
Aus dem hauseigenen Hefestamm, speziell ausgewähltem Malz und weichem Quellwasser destilliert Brennmeisterin Heidi Seyfried in Alpirsbach einen goldgelben, fruchtigen Singlemalt. Die limitierte Edition No.1 ist gerade im Handel. Mit viel Erfolg.
Wie reines Wasser schießt der sogenannte Vorlauf aus dem Edelstahlrohr in den Eimer. Heidi Seyfried hält vorsichtig den Finger darunter und reibt sich das frische Nass auf den Handrücken, so als wolle sie sich eincremen. Sie prüft den Alkohol und schnuppert daran. Dann dreht sie an einem kupfernen Rädchen. Der Alkohol läuft nun wesentlich langsamer heraus, der Vorlauf, die Phase, in dem geringwertiger Alkohol – man könnte auch „Fusel“ sagen – entsteht, ist gleich durch. Jetzt fließt das „Herz“ (heart) heraus, der richtig gute Alkohol, aus dem die Brennmeisterin den typischen, hellen Alpirsbacher Whisky macht.
Es ist Montag und Brenntag. Seyfried hantiert schon seit dem frühen Morgen im Brennhaus. Das Brennhaus ist ein kleiner Raum auf dem großen, historischen Klosteranwesen der Brauerei, direkt neben dem Brauereimuseum, in dessen Keller die 36 Whiskyfässer des ersten Jahrgangs des Kloster-Whiskys lagern und reifen. Die Maische wurde die Tage zuvor in der Brauerei angesetzt und heute morgen in den Brenner gekippt. „Eigentlich liegt es nahe, in einer Brauerei auch Whisky herzustellen“, erklärt die quirlige Nagolderin. „Denn die Maische fürs Bier ist die gleiche Maische wie für den Whisky, nur ohne Hopfen.“
Wie jedes Mal hat sie vor dem Brenntag eine Erlaubnis beim Zollamt eingeholt. Dort musste sie auch angeben, wie viel reinen Alkohol sie an diesem Tag in etwa herstellen will. Es werden so 15 bis 20 Liter sein. Sie sieht sich im Brennraum um. „Fenster offen? Ja, passt.“ Der Raum, in dem Alkohol gebrannt wird – hohe Decke, dicke Steinwände und Steinboden und eine kleine Theke für Bier- und Schnapsverkostungen – , darf nur eine Tür haben, „wahrscheinlich, damit man bei einer Kontrolle nicht die Hälfte des Stoffs wegschaffen kann“, sagt Seyfried lachend – und ein Fenster, das geöffnet ist. „Vielleicht wollen die Zollbeamten schon von weitem riechen, ob gebrannt wird.“ Und tatsächlich hat sich in dem alten Gemäuer ein ganz spezieller Duft ausgebreitet. Es ist nicht der typische Maische-Geruch wie beim Bierbrauen, sondern ein feiner, etwas scharfer Duft. Hochprozentiger und hochwertiger Alkohol.
Bei 120 Litern Maische entstehen sechs bis sieben Liter 80-prozentiger „Newmake“-Whisky. Also quasi der Rohstoff, der noch nicht im Fass gelagert wurde. Dort wird er dann mit soviel Wasser aufgefüllt, dass er bei 65 Prozent Alkoholgehalt mit dem Reifeprozess beginnen kann. Während der mehrjährigen Lagerung reduziert sicher der Alkoholanteil auf 43% und der Whisky wird weicher und runder. Er formt seine ganz eigene Geschmacksnote. Die Fässer tragen einen erheblichen Anteil dazu bei, wie sich der Whisky ausformt. „Wir verwenden neue, nur ganz schwach getoastete, also geflammte, Eichenfässer, die in Bad Dürkheim hergestellt werden. Die geben das Aroma ab. Ich schmecke Vanille heraus, Mirabelle und Trockenobst. Insgesamt ist es ein fruchtiger Whisky, den wir hier machen.“
Dafür sorgen auch die hauseigenen Zutaten: „Das Wasser ist ganz wichtig," weiß Heidi Seyfried. "Das Alpirsbacher Brauwasser aus unserer eigenen Quelle ist super weich, hat nur einen Härtegrad von 1 bis 2. Das ist sehr ähnlich wie in Schottland und ist qualitätsentscheidend.“ Dann hängt der spätere Geschmack des Whiskys auch vom Malz ab, das verwendet wird – zum Beispiel Rauchmalz, über offenem Torffeuer erhitzt.
20 Jahre Erfahrung im Whiskybrennen hat die dreifache Mutter und zweifache Großmutter. Gelernt hat die heute 63-jährige Hotelfachfrau das Handwerk in der Nagolder Brauerei ihrer Eltern. Ihre beiden jüngeren Brüder haben dort zusammen mit dem Vater Bier gebraut. Als Seyfrieds Kinder klein waren, hat sie dort überall immer ein bisschen mitgeholfen. Zum Whiskybrennen– denn auf der elterlichen Brauerei lagen noch alte Brennrechte – meinten die Brüder: „Heidi, des kannscht du doch mache“, erzählt sie in weichem Dialekt. Also hat sie gemacht. Learning by doing. Und mit Brennkursen und Bildungsreisen nach Schottland. Als die elterliche Brauerei dann verkauft wurde und ein Bruder als Braumeister zu Alpirsbacher wechselte, sprach der Chef Carl Glauner sie an, ob sie jetzt nicht vielleicht bei ihm brennen möchte. „Erstmal hab i nein gsagt. Aber dann hat es mi doch gfreut, gfragt zu werden und gfragt zu sei. Also hab i zugsagt.“
2011 hat sie erstmals hier Whisky gebrannt. 2016 gingen die ersten Flaschen in den Verkauf – ihre viel gelobte Edition No.1. Limitiert auf genau 1880 Flaschen. „Die Nummern hab i selbst auf die Etiketten gschriebe...“, lacht sie. 1880 deshalb, weil seither die Alprisbacher Klostrerbräu im Besitz der Familie Glauner ist. „Es macht irre Spaß! Es fasziniert mich immer wieder, was man aus den Rohprodukten alles rausholen kann.“
Hochprozentiges Handwerk
Beste Braugerste, der hauseigene Hefestamm und das weiche Brauwasser aus heimischen Quelle: Heidi Seyfried weiß, warum ihr Kloster Whiskys mit 43% Alkoholgehalt besonders fruchtig und rund schmeckt.
Im Alpirsbacher Online-Shop gibt es noch einige der 1.880 limitierten Flaschen der Edition No.1.
Birgitt Hölzel lebt und arbeitet in München. Sie hat bereits in Medien wie „Freundin“ und „Handelsblatt“ veröffentlicht, war Mitgründerin der Magazine „Delikatessen“, „Haben & Sein“ und „Monte“ und Verfasserin des Kochbuchs „Das Leben ist schön lecker“. Schon als jugendliche Skifahrerin hat sie entdeckt, dass es auch im Schwarzwald sehr anspruchsvolle Pisten gibt – auf dem Feldberg.
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Wenn ein britischer Journalist im Auftrag der Financial Times in den Schwarzwald reist, darf man auf seine Sicht der Dinge gespannt sein. Lesenswert hier im Original.
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