Die Kraft der Kräuter
Wildkräuter sind die heimlichen Superhelden des Waldes. In einigen von ihnen steckt viel mehr, als man ihnen zutraut.
Wenn man ganz still ist und für einen Moment innehält, dann hört man die Wälder Geschichten erzählen. Ein Schauspiel, das seit Jahrmillionen mit immer der gleichen Besetzung aufgeführt wird. Leise flüsternd.
Der Duft der warmen Erde nach einem Sommerregen, der sich mit dem Geruch von frisch geschlagenem Holz und dem des feuchten Waldbodens vermischt. Das Geräusch der Wassertropfen, die von Blatt zu Blatt auf den Weg vor mir fallen. Um mich herum: Grün in allen Nuancen. Es gibt ein paar Hundert Grüntöne auf unserer Erde, wie das Maigrün oder das Lindgrün, das Knallgrün oder das Lodengrün. Dann fällt mir noch das Schöngrün oder Schattengrün, das Spinatgrün oder das Waldgrün ein. Ja, das Waldgrün ist dabei wohl eines der Schönsten. Und in genau das tauche ich mit jeder Sekunde und jedem weiteren Schritt tiefer ein. Anfangs knirscht noch der Schotter des Forstweges leise unter meinen Füßen, später ist es das Knacken kleiner Zweige auf den naturbelassenen Waldpfaden.
Ich atme tief ein, langsam wieder aus und das Ganze noch einmal von vorne. Es ist nicht dieses Atmen, das der Körper von ganz alleine macht, um zu überleben. Es ist jenes, für das man sich Zeit nimmt und das weniger der Sauerstoffzufuhr, mehr dem bewussten Wahrnehmen des Moments dient. Die Augen sind geschlossen, die restlichen Sinne geschärft. Mir fallen in diesem Augenblick die Worte bekannter amerikanischer Naturphilosophen ein – Henry David Thoreau oder John Muir, die alle den gleichen Grundgedanken haben: Es geht um das Herz der Natur und was es für uns und unsere Seele bedeutet. „Between every two pines is a doorway to a new world.“ Oder: „I took a walk in the woods and came out taller than the trees.“ Auch die deutsche Romantik nahm sich der Wälder an und inspirierte Schriftsteller wie Joseph von Eichendorff zu zahlreichen auf’s Papier gebrachten Emotionen. „Es war, als hätt der Himmel die Erde still geküsst … Es rauschten leis die Wälder, so sternklar war die Nacht.“ Und Bäume reimt sich nunmal auf Träume.
Der Wald reinigt. Er lässt schlechte Gedanken verpuffen und ermöglicht es den Guten, wie Eichhörnchen von Baum zu Baum hüpfen und sich irgendwann im Tiefgrün zu verlieren. Bleibt man auch nur einen Moment stehen, hört man die Wälder Geschichten erzählen. Niemals ist es dabei die gleiche Story. Schließlich ist der Erzählende ein stetig anderer. Aber immer ist es ein Flüstern, begleitet vom Singsang der Vögel und umrahmt vom gleichmäßigen Wippen der zahllosen Protagonisten.
Einundfünfzig Stunden sind dreitausendsechzig Minuten und das ist die Zeit, die ich rund um Baiersbronn verbracht habe. Zweiundvierzig Kilometer davon in den Wäldern, über Grinden, an Ufern von Karseen und durch Hochmoore hindurch. Ja, da wurden so einige Geschichten erzählt.
Für einen Sitzplatz in der ersten Reihe empfehle ich ein paar schöne Flecken von Mutter Natur: Auf dem Satteleisteig beispielsweisel kann man sich nicht nur einen ersten Eindruck der Wanderwege von Baiersbronn aus verschaffen, sondern auch die passende Verpflegung in Form von wilden Him- und Brombeeren am Wegesrand genießen – wie Popcorn, von der Hand direkt in den Mund.
Der Weitwanderweg Seensteig wiederum wäre eine Aufführung in mehreren Akten. Fünf an der Zahl, um genau zu sein. Der Sankenbachsee erzählt von der letzten Eiszeit, der Sankenbachwasserfall nimmt die anschließende Bewunderung plätschernd entgegen. Nur ein paar Kilometer später ragt eine hölzerne Aussichtsplattform über die Wipfel der Bäume und über die Kante der Karwand hinaus. Dabei bietet sie nicht nur einen Blick auf den etwa 150 Meter unterhalb liegenden Ellbachsee, sondern auch bis ins bergige Hinterland Richtung Mitteltal. Ellbachseeblick heißt der Punkt, mit Baum und Wald, soweit das Auge reicht. Und viel Zeit, die man bei der schönen Aussicht und diversen Gedankenspielen hemmungslos verschwenden kann.
Dann wäre da noch die Ellbachtanne. Eine 270 Jahre alte und 45 Meter hohe Weißtanne, die schon tausenden Unwettern getrotzt einiges zu erzählen hat. Auf dem Schliffkopf sind es die Grinden, die ihre Geschichten in Heidefarben bunt untermalen. Und zwischendurch taucht man immer wieder ins Dickicht ein, wo Farne kopfhoch an der Nasenspitze kitzeln und ein Rascheln Mithörer verrät.
Was folgt, ist ein Schauspiel mit immer gleichbleibender Besetzung. Ein Waldgeflüster für denjenigen, der zuhört.
Fakten
Gesamtstreckenlänge: 91 Kilometer
Dauer: 27 Stunden
Höhenmeter: 2.617 Meter
Etappen: 5
Etappen
1. Baiersbronn - Mitteltal (14,4 km)
2. Mitteltal - Schliffkopf (18,4 km)
3. Schliffkopf - Mummelesee (zwei Wegmöglichkeiten
Wegverlauf Kaisersteigle: 15,7 km | Wegverlauf Westweg: 12,4 km
4. Mummelesee - Schönmünzach (21 km) 5. Schönmünzach - Baiersbronn (20,6 km)
Elisa wohnt im Allgäu, ist total vernarrt in Roadtrips und die Natur. Auf takeanadVANture.com schreibt sie über die Liebe zum Draußensein und die Geschichten dahinter. Wahlweise ist sie dabei in ihrem selbstausgebauten VW Bus unterwegs oder schnürt die Wanderschuhe, die mittlerweile schon so einige Länder dieser Welt betreten haben.
Wildkräuter sind die heimlichen Superhelden des Waldes. In einigen von ihnen steckt viel mehr, als man ihnen zutraut.
Sebastian Canaves und Line Dubois sind mit Rucksack und Zelt in den Schwarzwald gereist und haben eine Nacht im Trekking Camp Bösellbach verbracht.
Der Wald hat eine heilende Wirkung auf den menschlichen Organismus und dieser gesundende Effekt geht tiefer und ist umfassender, als man lange geglaubt hat.
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